Venedig, sehen und sterben...

Venedig sehen und sterben...

Na, das laß mal lieber sein.

In einem Reiseführer las ich, man sollte Venedig so schnell besuchen, wie es geht. Denn Venedig geht nicht nur unter, was es ja bekanntlich schon seit Jahrzehnten tut, Venedig würde aufgrund mangelnder Investitionen immer weiter verfallen.
Und es würde stetig von immer größer werdenden Besucherströmen förmlich platt getreten.

Ja dann, nix wie hin, bevor es zu spät ist!

Venedig ist für mich schon seit der Kindheit ein Begriff.
Bereits in den Siebzigern bin ich mit meinen Eltern mehrmals in Venedig gewesen. Ich habe es so kennengelernt, wie viele Begeisterte es beschreiben: ruhig und dämonisch, fern normaler Realitäten, etwas unheimlich düster, dafür aber lebendig auf den abgelegeneren Piazzas. Venedig war für mich immer eine ganz besondere Stadt und ich liebe die Krimis mit Commissario Brunelli, der genau an den Orten seine Tagediebe jagt, wo ich schonmal herspaziert bin. Die einsamen Brücken über die unzähligen Canale, die etwas unheimlichen Gassen, die mir aber trotzdem nie Angst bereiteten.

Venedig_Ralfonso_044_a_kl Venedig_Ralfonso_021_kl
Venedig_Ralfonso_033_kl Venedig_Ralfonso_029_kl Venedig_Ralfonso_025_a_kl

Klick vergrößert

Na ja,

unser Venedig-Ausflug beginnt in Peschiera del Garda am Bahnhof.
Es geht per Zug stehend nach Venedig. Der Zug ist total überfüllt, es geht in den Gängen aller Waggons kein Vor und Zurück. So stehen wir geschlagene 2 Stunden im Zwischenabteil zweier Waggons und freuen uns auf Venedig; schon allein darum, weil wir dann endlich aus dem Viehwaggon fliehen können. Und das im September zur Nachsaison. Aber dafür kann Venedig ja nichts, wenn es die italienische Bahn (trenitalia) nicht rallt.

Es folgt das Thema Bahnhof und Bahnhofsumfeld ( --> siehe
Verona oder Rom).
Als gebranntes Kind von Verona nur einige Tage zuvor, bin ich ja echt mal positiv überrascht. Hell, übersichtlich und direkt einladend wirkt der Bahnhof Venedigs. Große Treppenstufen am Eingang, auf denen zahlreiche Reisende sitzen und die Sonne geniessen und ein
fantastischer Blick auf den Canale Grande und einige schöne Häuser der Altstadt Venedigs. Letzteres müsste ich eigentlich korrigieren, denn in Venedig ist ja alles Altstadt. So muß ich es nochmal deutlich sagen: nicht alle Bahnhöfe und Bahnhofsumfelder sind gruselig, es gibt da noch Venedig!

So steuern wir direkt die Brücke vor der Gli Scalzi an, und laufen frohen Mutes in Richtung Rialtobrücke und Markusplatz.
Quer durch.
Schlagartig bewahrheiten sich die beiden Aussagen der Reiseführer: Venedig verfällt und wird tot getrampelt; nun auch von uns... Menschenmassen aller Nationalitäten, wobei ich das Gefühl habe, Japaner bilden den Hauptanteil, drücken sich schiebend und drängelnd durch alle Gassen, über alle kleinsten Brückchen, verlaufen sich auf manchen etwas größeren Plätzen nur wenig und stopfen in den nächsten Gassen wieder fest. Grauenhaft, glücklicherweise bin ich nicht klaustrophobisch, aber ich denke ernsthaft drüber nach. In den engen Gassen förmlich festzuklemmen, macht nicht wirklich Spaß. Und die Gassen sind nicht mehr antik und dämonisch, sondern runtergekommen. Vielen Häusern, alle wäre vielleicht übertrieben, spiegelt die Realität aber durchaus treffender, sind unverändert so, wie in den Siebzigern. Nur liegen da gute 40 Jahre Verfall zwischen.

Selbst der hartgesottenste Romantiker wird hier seine Grenzerfahrung machen.
Venedig verfällt.

Venedig_Ralfonso_043_kl

Klick vergrößert

Ich habe, dank meiner fotografischen Vorbelastung einen gewissen Hang, meinen Blick immer in die Richtung des (doch noch) vermeintlich Schönen zu richten und mußte mich schwer anstrengen. Wenn ich überhaupt mal eine Gasse fand, die nicht komplett verrottet ist, dann brabbelten unzählige andere Touristen hindurch. Fotografisch gesehen ist Venedig eine echte Katastrophe geworden. Dir wird es so gut wie nicht gelingen, etwas zu fotografieren, ohne bunte gackernde Köpfe mit auf dem Bild zu haben. Ich habe gegeben, was ich konnte und alle fotografischen Register gezogen, die ich beherrsche.

Den gelben Schildern mit “Rialto” und “San Marco” folgend, kommt man zwangsläufig irgendwann bei den beiden Hauptmagneten der Stadt an. Selbst dann, wenn man dem Strom eigentlich entfliehen will. Dem Strom entfliehst Du nämlich nicht, da es bereits einen “Ich-gehe-dem-Strom-aus-dem-Weg-Strom” gibt. Einmal damit abgefunden, bewundere ich die Rialtobrücke, die tatsächlich nicht unter 5000 Menschen zusammengebrochen ist, die darauf standen. Schlange vor dem Hochgehen, Schlange drauf, Schlange beim Runtergehen. Die Gassen in Richtung Markusplatz werden nun bunter. Ich meine nicht die noch größere Menge an Touris, nein, es sind diese süßen Klimbimselläden, die zu 90% originale Venedigmasken, kleine Rialtobrückchen und Unmengen an schrill bunten Muranoglas-Dingsdas anbieten. Original Murano-Glas ist heutzutage infantiler bunter Glasmüll geworden, eigentlich was für 1€-Shops, aber selbst da laufen die Kunden vermutlich dran vorbei. Zum Glück muß man sich nicht sorgen, sollte man das Schaufenster eines Lädchens verpasst haben, denn schon im nächsten Schaufenster findest Du dasselbe. Und für alle Touristen, die nicht in die Klimbimsellädchen reingehen wollen, gibt es überall dort, wo noch etwas Platz zum Laufen wäre, schöne bunte Stände mit... genau..... süßen Masken, Muranoglas-Gondelchen, ganz tollen Fächern mit dem Canale Grande drauf und allen Dingen, auf die man den Schriftzug Venedig drucken konnte.

Venedig_Ralfonso_048_kl Venedig_Ralfonso_017_kl Venedig_Ralfonso_049_kl

Klick vergrößert

Dann endlich, der Markusplatz!
Markuskirche, Dogenpalast, Markusturm, Uhrenturm...
Die konnte ich erkennen, weil die ragten deutlich über die Massen auf dem Platz hinweg. Der Markusplatz selbst stand zum größten Teil unter Wasser; na ja, war ja eigentlich zu erwarten...
Die Gewitter der Vortage haben wohl ganze Arbeit geleistet. Tausende liessen sich davon aber nicht beeindrucken und zogen ihre Socken und Schuhe aus und standen nun mitten drin in der Brühe. Der Versuchung konnte ich ohne große Überwindung aber widerstehen. Vor der Markuskirche standen gute 500 Menschen und warteten auf Einlass; barfuß in der Brühe. Ich könnte mich kringeln. Daß die meisten Fassaden des Markusplatzes eingerüstet waren und riesige Werbeplakate darauf klebten war schon schade. So kam ich zumindest in den Genuss, noch nie zuvor so riesengroße gesehene Plakate erleben zu können. Die Seufzerbrücke war förmlich eingepackt in Folie. Hier zeigt sich aber auch deutlich der fragliche Fokus, Venedigs Highlights rund um den Markusplatz mit großem Aufwand zu restaurieren und den "Rest" verfallen zu lassen. Die Menschen kommen nicht nach Venedig, um nur den Markusplatz zu sehen; auch wenn man anhand der Massen solches vermuten könnte. Wenn das Gesamtbild nicht mehr passt, wird aus der Perle Venedig schnell ein grauer schäbiger Stein Venedig. Und dagegen helfen dann auch keine automatischen Hochwasser-Schleusen am Eingang der Lagune.

Was ich allerdings nicht bestätigen kann, ist daß Venedig stinken soll. Vielleicht hatte ich auch nur Glück, aber ich hatte an manchen Stellen leckeren Pizzageruch und angenehmen Brötchenduft in der Nase. Ansonsten herrschte eher Meeresluft, man spürt die Nähe zur offenen Adria. Ob 16,- Euro für einen kleinen Capuccino am Markusplatz angemessen sind, mag jeder selbst entscheiden. Aber daß Venedig an den Haupt-Touri-Magneten sündhaft teuer ist, ist nichts Neues und das war vor Jahrzehnten auch schon so. Eine romantische Gondelfahrt schlägt mit 85,-- Euro zu Buche und ist preislich inzwischen auf den Betrag limitiert. Real sieht das aber leider bei vielen Gondolieris so aus, daß nach einer gewissen Fahrtzeit nochmal 50,-- Euro nachgefordert werden, sonst kannst Du ganz flott aussteigen. Und wer sich eine romantische Gondelfahrt tatsächlich romantisch vorstellt, wird sicher schlucken, wenn er sieht, daß alle Gondeln durch dieselben Canale schippern und zu zehnt in einer Reihe hintereinander herfahren. Unter romantischen kleinen Brückchen her, die überfüllt sind mit fotowütigen Touristen.
Auf mich wirkte das recht grotesk.
Eine Fahrt mit dem Wasserbus über den Canale Grande kostet pro Person 18,50 €, auch ein stolzer Preis für einen Stehplatz in einem überfüllten Schiff.

Venedig_Ralfonso_038_kl
Venedig_Ralfonso_022_kl Venedig_Ralfonso_016_kl
Venedig_Ralfonso_057_kl
Venedig_Ralfonso_045_kl

Klick vergrößert

Allen Freunden der mobilen GPS- Navigation empfehle ich in Venedig die gute alte Papierkarte. Durch die superengen Gassen und hohen Häusern findet Deine Uschi bestenfalls auf einem größeren Platz seine Satelitten, um sie schon in der nächsten Gasse wieder zu verlieren. Wer sich hiermit zurecht finden will, lernt sicher viele Ecken Venedigs kennen...

Ich denke mal, meinen Zeilen ist zu entnehmen, daß mich Venedig nicht mehr in seinen Bann gezogen hat. Auch die Versuche, mir bekannte abgelegenere Plätze aufzusuchen und etwas venezianisches Feeling zu erhaschen versiegten entweder im Touristentrubel oder schlichtweg im vermoddernden Schutt. Zurück am Bahnhof sahen wir ein Hochzeitspaar, daß voller Katalogerwartung hier seine Flitterwochen verbringen wollte...
Oha, da hoffe ich mal, daß das keine Enttäuschung wird, wenn die Realität die beiden einholt.

Trotz allem habe ich versucht, ein paar typische Venedig- Fotos zu schiessen, die Venedig so zeigen, wie ich es eigentlich immer in Erinnerung hatte. Die anderen will ich Dir aber auch nicht vorenthalten....

Zum Foto-Album


Venedig 2010
 

Venedig habe ich in den zurückliegenden Jahren bereits mehrmals besucht.
Vielleicht interessieren Dich auch die etwas älteren Fotos und meine Eindrücke aus den späten 70er Jahren bis Mitte der 90er, die ich in einer separaten Rubrik namens
Venedig damals zusammengestellt habe.

Per Klick auf den Button kannst Du die Rubrik direkt besuchen:

Zum Foto-Album


Ältere Venedig Fotos
 

BACK NEXT

>>  Startseite Gardasee   ~~  Reisebericht   ~~   Fotos Gardasee   ~~  Venedig  ~~  Black & White  ~~  Special edition  ~~  Verona  <<

Webcam

Gardasee

Bardolino Borghetto Castelnuovo Desenzano Garda Gardesana Lazise Malcesine Manerba Monte Baldo Peschiera Saló Sirmione Valeggio Venedig Verona

Home

navigator_ball
Meine ganz persönliche Fotoausstellung im Web R@lfonso online, you never get a second chance, to take a first impression  *   *   *   * Vieles hätte ich verstanden, wenn man es mir nicht erklärt hätte Die Drachenecke für alle Lenkdrachen-Fans

Startseite
Inhaltsverzeichnis
Thumbnails-Auswahl
Panorama
Colorationen
Ralfonso Mix
Foto-History

Startseite
Inhaltsverzeichnis
Site Map
Neues / Updates
Kontakt
Frischlinge
Hilfe

Startseite
Inhaltsverzeichnis
Alles lesen A-Z
FotoTipp
Digitale Fotoschule
Schnellsuche
FAQ

Startseite
Inhaltsverzeichnis
Praxis-Tipps
Kite-Fotogalerie
Trickflug-Tipps
Wissenswertes
Kite-Jokes

Das Copyright für alle Fotos und Texte der Digitalfotogalerie und der Rubrik Die Fotoschule liegt bei www.ralfonso.de  Unerlaubte Verwendung bzw. Vervielfältigung werde ich strafrechtlich und zivilrechtlich verfolgen. Informationen zur privaten Nutzung von Texten,
Abbildungen und Daten erhältst Du auf Anfrage per
Email..

.

Inhalt  ~  Impressum  ~  Home