Vieles haette ich verstanden, wenn man es mir nicht erklaert haette

Fantasie und Realität

........... ich habe da ein Bild im Kopf ..........

Tante Gerti geht mit diesem Thema unbewusst ganz deutlich um:
steht sie vor ihrem Schlafzimmerspiegel, ist das, was sie im Inneren sieht Fantasie, das was der Spiegel zeigt, die Realität.

In der Fotografie verschlingen sich Fantasie und Realität oft ebenso unbewusst.
Der Maler wird mit seinen Farben immer ein Bild der Fantasie auf seine Leinwand bringen, auch wenn es noch so realistisch erscheint. Der Fotograf malt mit Licht, so stellt sich schnell die Frage, wie realistisch ist der Pixelhaufen einer Bilddatei?
Spätestens seit dem Einzug der digitalen Bildbearbeitung darf man getrost jedes "realistische" Bild in Frage stellen, denn wer glaubt wirklich noch, daß das abgebildete Topmodel auf dem Titelbild der Boulevardzeitung tatsächlich so makellos im echten Leben aussieht?

Aber so tief braucht man gar nicht einzusteigen, denn auch die bloße bewusste Wahl des Bildausschnitts kann bereits eine Abweichung der Realität sein (was die Bildaussage betrifft). Mir fallen da so manche Fotos in Reisekatalogen ein, die ein idyllisches Ferienhaus am Meer zeigen, das aber real umrahmt von mehrstöckigen Hotelbunkern ist. Gepaart mit einem, zufällig im Moment des Fotos, menschenleeren Strand entsteht so auch ein Fantasie- Ferienhaus, das es real gar nicht gibt.

Tigaki, Kos, Griechenland

So sehen einsame Strände auf Kos aus, weit und breit nur Sand und Meer und keine Menschenseele...

Auf dem Bild unten stehe ich an derselben Stelle. So sah der Strand in der Realität aus. Ich habe durch die Wahl des Ausschnittes und der Perspektive mein Bild so gestaltet, wie ich den Strand auf dem Bild haben wollte: so, wie ich ihn wahrnahm und nicht, wie er tatsächlich war (ich blendete schließlich diese häßlichen Liegen in meiner Wahrnehmung tagsüber am Strand ohnehin aus, so sollte mein Foto das Zeigen, was ich auch fühlte...)

Tigaki, Kos, Griechenland

Viele bildgestaltende Mittel gehen in dieselbe Richtung:
das Spiel mit der Schärfentiefe, der Einsatz spezieller Brennweiten (Fisheye, Tele), die Verwendung von Filtern und das Steuern von Blende und Verschlußzeit, um nur einige aufzuzählen.
Im Prinzip liegt es ja schon im Namen selbst:
Bildgestaltung.
Da gestaltest Du etwas und bewegst Dein Bild weg von der Realität hin zu dem, was Du Dir vorstellst.


In der Rubrik
Bildmanipulation und an vielen anderen Stellen der Fotoschule hast Du meine Meinung zum "Eingriff ins Negativ" sicher bereits gelesen. Zu analogen Zeiten verarbeitete ich meine Negative in der Dunkelkammer zum fertigen Bild. Und das sah so aus, wie ich es mir vorstellte. Aus dem Motiv heraus entstanden beispielsweise auch meine handcolorierten Fotografien. Inzwischen führe ich das digital am Blechotto weiter. Die Bilddatei der Kamera ist für mich eine gewisse ungeschliffene Rohmasse, die erst in der Weiterverarbeitung zu dem Bild wird, das ich mir bereits während des Fotografierens vorstellte.


Und genau darum geht es in dieser Rubrik:
um Das Bild in Deinem Kopf!


Die Rubriken Das offene Auge und Gewohnheitsblind beschäftigen sich damit, die Welt um Dich herum sensibel wahrzunehmen, Motive zu finden und nicht blind daran vorbeizulaufen. Hier geht es darum, warum die Fotografien anderer Fotografen "immer so toll aussehen" und Deine nicht....

Viele Emails frustrierter Fotofans erreichen mich mit genau diesem Inhalt. Manche Fotofans belegen ihre These noch mit Fotografien, um mir zu zeigen, daß sie "es einfach nicht können". Ein hoher Prozentsatz vermutet hinter "den tollen Fotos der Fotografen" als alleinigen Schlüssel zum Erfolg die professionelle Kamera "der richtigen Fotografen".

Tja, dieser Schlüssel öffnet Dir aber leider nicht das Schloß für die Tür zum Erfolg. Eine gute Kamera ist ein gutes Handwerkszeug. Sie macht Dir das Umsetzen Deiner Ideen leichter und ist sicher kein zu vernachlässigender Faktor auf dem Weg zum aussagekräftigen Foto. Wenn der Zimmermann aber keinen Nagel gerade ins Holz schlagen kann, wird das auch der schönste Hammer nicht ändern....

Soldatendenkmal auf der Hohensyburg

So sieht ein klassisches “Ich-drücke-mal-auf-den-Auslöser-Digicam-Foto” aus, entstanden an der Hohensyburg in Dortmund. In meinen Gedanken hatte ich ein Bild von der morbiden Schönheit dieser Stätte, irgendwie sollte man meinem Bild das Alte und Verfallene ansehen. So wählte ich bewusst nur einen Ausschnitt des Denkmals, wählte eine offene Blende, um den Hintergrund verschwimmen zu lassen und fotografierte mit Teleobjektiv. Am Blechotto wandelte ich das Foto in schwarzweiß um und colorierte es anschließend mit Sepiaton. Nun entstand ein Foto, daß ich bereits beim Betrachten des Soldatengrabes vor Ort im Kopf hatte; in meiner Fantasie.

Soldatendenkmal auf der Hohensyburg

Auch bei den beiden folgenden Fotos siehst Du oben das klassische “Ich-drücke-mal-auf-den-Auslöser-Digicam-Foto.” Es wirkt nicht sonderlich spannend, der Schriftzug am Denkmal und die leeren abgestellten Flaschen zerstören restlos den Ausdruck (typischer Fehler beim Fotografieren, solche Dinge zu übersehen). Irgendwie schwebte mir hier ein Bild von diesem einsamen Grabdenkmal vor, das zeigt, wie einsam diese Stelle umgeben von verfallenen Mauern auf mich wirkte. Ich bin dann umhergewandert, um einen anderen Fotostandort zu finden, der etwas von dem Feeling hier aufs Bild kommen lässt. Ich ging durch den Torbogen und drehte mich um und schon sah ich mein Motiv, das bereits seit Minuten in meinem Kopf hin und her irrte. Das Bild unten zeigt die Einsamkeit und das Verfallene dieser Burgruine, zeigt das Denkmal ungeschützt in einer Burg, die keine mehr ist. Der Turm lässt den Betrachter erahnen, wie stolz und erhaben diese Burg einmal gewesen sein muß. Auch hier wandelte ich am Blechotto das Foto in schwarzweiß um und colorierte es anschließend mit Sepiaton. Nun entstand ein weiteres Foto, daß ich bereits beim Betrachten des Soldatengrabes vor Ort im Kopf hatte; in meiner Fantasie.

Soldatendenkmal auf der Hohensyburg
Soldatendenkmal auf der Hohensyburg

Wie schafft das nur "der tolle Fotograf", selbst mit einem Fotohandy grandiose Fotografien zu bekommen und Du kommst mit Deinen 27 Programmautomatiken nicht annähernd an solche Ergebnisse? Wie gesagt, es liegt nicht daran, daß Deine 27 Programmautomatiken kaputt sind und selbst 14 weitere bringen Dich nicht näher ans Ziel.

Noch vor der Bildgestaltung steht die Fantasie.
Und noch vor dem Auslösen das fertige Bild im Kopf.

Das eigentliche Fotografieren ist "lediglich" noch die technische Umsetzung gewisser Einstellungen, um das Bild im Sucher dem Bild im Kopf möglichst gleich zu machen. Wenn Du also nach dem goldenen Schlüssel suchst, dann such ihn hier. Sicher stösst Du anfangs an gewisse Grenzen, Deine Kamera das machen zu lassen, was Du von ihr willst. Dazu brauchst Du ein gewisses Grundwissen im Bereich der Fotografie (Belichtung, Schärfe etc.); Programmautomatiken helfen Dir hier definitiv nicht. Die machen nämlich stur nur das, auf was sie irgendwann mal programmiert wurden. Das ist meistens etwas anderes, als das, was Du für Dein Bild im Kopf gerade benötigst. Anders sieht das aus, wenn Du aufgrund Deines Wissens weißt, was die Programmautomatik in der konkreten Situation einstellen wird und Du Dir das zunutze machst.

All das geht aber erst, wenn Du Dein Bild vor dem Druck auf den Auslöser im Kopf hast!
Manche Fotofans sehen ihre Umgebung wie durch einen rechteckigen Rahmen und picken sich aus dem sichtbaren Ganzen, das mögliche Fotomotiv heraus.

Wanderst Du gerade durch eine wunderschöne mediterrane Altstadt und bist beflügelt von dem Flair des Städtchens? Die Gerüche, die Wärme und typischen Geräusche kannst Du nicht einfangen, auch nicht Dein Gefühl. Aber Du kannst beflügelt durch Deine Fantasie versuchen, Dein Motiv so zu wählen, daß man beim Betrachten Deines Fotos etwas davon zu spüren glaubt. In so einer Situation suchst Du nach Deinem Motiv, nach Deinem Bild im Kopf, um es dann inform eines alten Hauses, Baumes, einer kleinen Nebengasse oder was auch immer, umzusetzen. Dafür setzt Du alle Dir geläufigen fotografischen Mittel ein und gestaltest Dein Bild genau nach Deinem Bild im Kopf. So ein Bild wird "ein tolles Bild eines Fotografen". Und meistens ist es egal mit welchem Handwerkszeug Du das erreichst, wichtig ist allein Deine Fantasie und die Tatsache, überhaupt ein Handwerkszeug dabei zu haben. Und wenn es auch nur ein
Fotohandy ist (mal eine gewisse optische Qualität vorausgesetzt).

Volterra, Toskana, Italien

Volterra, Toskana, Italien
Ein typisches altes toskanisches Städtchen mit Hunderten verwinkelter Altstadtgassen (na ja, eigentlich war die ganze Stadt eine Altstadt für sich....). Trotzdem “lebte” dieser Ort, obwohl alles uralt war. Er wirkte erfrischend, irgendwie beflügelnd und positiv. Das wollte ich festhalten mit meiner Kamera.
“Nur, wie hält man sowas fest?”
Oben ist das (Du kennst mein Lieblingswort ja schon) “Ich-drücke-mal-auf-den-Auslöser-Digicam-Foto.” Angeschnittene Leute, langweilige Bildgestaltung, die einzige Bildaussage sind die fotogenen alten Häuser, die etwas wirken. Aber nicht das Foto selbst. Und von meinem “Kopf-Bild” und der Stimmung kommt definitiv nichts rüber in diesem Bild. So ließ ich nicht locker, durchflügte jeden Winkel Volterras (bei 37 Grad im Schatten ein echter Spaß) und endeckte schließlich “mein Bild”. Genauso sah ich Volterra (oder wohl besser erlebte ich Volterra): lichtdurchflutete Gassen, alte Mauern, der Verfall im krassen Gegensatz und gleichzeitiger Harmonie mit bunten Blumen und liebevoll dekorierten Terracotta-Kübeln, gepaart mit einem gewissen Wohlfühlfaktor. Da war mein Bild vor mir, real. Ich kämpfte noch etwas mit den starken Licht/Schatten-Kontrasten im Türbereich und entschied mich für die Kombination Polfilter (wegen der Farbsättigung) plus separatem Elektronenblitz (um den Schatten zu bekämpfen). Heute würde ich vermutlich das HDR- Verfahren einsetzen, das kannte ich damals aber noch nicht.
Ein Bild darunter zeigt den Blick in die Gasse, wo dieses Foto entstand. Es ist so typisch für die vielen Gassen Volterras und kam meiner Vorstellung eines “Volterra-Fotos” schon sehr nahe.

Volterra, Toskana, Italien
Volterra, Toskana, Italien

Ganz entscheidend ist demnach:
die Bildidee vor dem Druck auf den Auslöser im Kopf zu haben!

Wie würde Dein Motiv in schwarzweiß wirken?
Wie wohl die alte verfallene Hütte ohne den Strommasten im Hintergrund?
Wie könnte Deine Landschaft mit einem schönen Vordergrund zur Geltung kommen?
Und die Brunnenfigur mit einem unscharfen Schimmer der Kirche dahinter?
Wirst Du an den schönen Dorfplatz abends zur Blauen Stunde zurückkehren, den Du mittags im Sonnenlicht entdeckt hast? Stellst Du Dir mittags schon vor, wo Du abends am besten Dein Stativ aufbauen wirst?
Wäre die Klippe am Meer das ideale Hintergrundbild für ein Portrait Deiner Freundin? Siehst Du sie förmlich hier stehen und überlegst, wie die Sonne wohl in 2 Stunden scheinen wird, wenn Du mit ihr an diesen Ort zurückkehrst?
Wanderst Du bereits morgens mit Deiner kompletten Ausrüstung los, um irgendwie und irgendwo an
dem schönen Weststrand endlich das Foto zu schiessen, was Dir schon seit einer Woche durch den Kopf geistert?

In allen Beispielen gibt es Dein Foto eigentlich schon!
In Dir!
In Deinem Kopf!

Setz es um in einen Haufen Bytes oder brenn es auf Celluloid, jetzt FOTOGRAFIERST Du!
Und ich bin ganz sicher, daß Du über diesen Weg ausdrucksstarke Fotografien erzielst.

Irgendwann siehst Du Deine Welt "fotografisch", springen Dir Motive förmlich in den Sinn. Ein Blick in die Landschaft löst in Dir solche Gedankenmuster aus, wie: wo stehe ich am besten für ein mögliches Foto? Welches Licht, welche Brennweite....? Dann kommt irgendwann die Einsicht, daß Du leider nicht alle Bilder in Deinem Kopf in ein Foto umsetzen kannst;
und es macht Dich traurig.

Aber das ist ein anderes Thema in der Fotoschule.....  :-)



p.s. das heißt alles aber nicht, daß es ebenso gute Fotos gibt, die völlig ungeplant aus der Hüfte geschossen wurden.....
Es gibt in der Fotografie eben nur wenige feste Regeln, die ein Richtig oder Falsch einordnen.

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