Das Offene Auge

....sehen, wo andere vorüber ziehen....

Kennst Du das, Du machst 14 Tage Urlaub an der See, hast Deinen Fotoapparat dabei und fotografierst dies und das. Zu Hause zeigt sich bereits, was Du schon im Urlaub vermutet hattest: neben einigen Urlaubserinnerungen von dem Möwen-Schiss im Haar der Freundin und dem feuchtfröhlichen Abend in der Cocktailbar am Strand ist nichts Nennenswertes zu fotografieren dabei gewesen.

Da es Dir an Deinem Lieblingsort so gut gefallen hat, schwärmst Du so lange rum, bis dein Foto-Kumpel auch endlich mal hinfährt und eine Woche die schöne See genießt. Als er wieder zurück ist und Du seine Fotos siehst, haut es Dich förmlich aus den Schuhen. Mindestens zehn echte Meisterwerke und weitere gut zwanzig Fotos, die nach Deinen Maßstäben auf Deiner Speicherkarte echte Highlights wären. Details am Strand, im Dünengras, eine alte Haustür, sogar nur ein Foto mit ´nem Zweig und dem schimmernden Meer im Hintergrund, die Jungs vom DLRG auf dem Posten, eine Möwe auf ´nem Poller...

Jetzt, wo Du die Fotos siehst, stellst Du fest, dass Du an genau den Orten des Entstehens auch gewesen bist. Und nicht ein einziges Foto hast Du mitgebracht nach Hause. Nicht ein einziges Motiv so gesehen, wie Dein Foto-Kumpel.

Das ist schade, aber lässt sich ändern.

Berlin_Spatz

Berliner Idylle im Straßencafe
Ein Offenes Auge beschert Dir so manch schönes Motiv, Du musst nur bereit sein, es sehen zu wollen....

Das Offene Auge fehlt leider vielen Fotofans, was sehr schade ist.

Was ist ein Offenes Auge?

Tante Gerti wird schnell Parallelen ziehen zum Offenen Bein; damit liegt sie aber falsch.

Es ist ganz einfach.

Schärfe Dein Fotoauge, öffne es und nimm Deine Umwelt wahr; dann nimmst Du auch Motive wahr.
Wie oft ist Dein Fotoausflug schon daran gescheitert, weil Du einfach nicht wusstest, was Du fotografieren solltest?
Wie oft hast Du aus solchen Gründen schon Deine Kamera zu Hause gelassen?

Schade, oder?

Das Leben um Dich herum ist voller Motive, nur Du musst das Feeling entwickeln, sie auch wahrzunehmen und zu finden.
Die Welt verändert sich, ständig.

Poster Mann mit Kaugummiaugen Venedig

Zwei uralte Fotografien (1979) aus meiner Venedig- Reihe der Digital Fotogalerie, die ich “am Wegesrand” fand. Ich blieb hier eine Weile stehen und kein objektivbehangener Tourist nahm meine beiden Motive auch nur im Ansatz zur Kenntnis..
Und ja, stimmt, die Maske ist ganz leicht unscharf. Darunter habe ich eine aus dem Jahre 2010, die ist scharf und auch hier blieb keiner stehen.

Masken Venedig
Venedig_Ralfonso_048

Nimm als Beispiel Deinen “Lieblings-Spazierweg” durch den Oberbruttenscheider Wald, den Du so gerne mit Tante Gerti entlang schlenderst. Tausend mal geschlendert, Du kennst alles...

Wirklich?

Was ist mit dem Herbstmorgen, als der Nebel die Waldlichtung so unwirklich erscheinen lässt, so gespenstisch und fremd?
Was ist mit dem filigranen Spinnennetz an dem Stapel frisch gefällter Baumstämme, an dem die Tautropfen haften, als wäre es aus unzähligen kleinen Glasperlen geflochten? Und siehst Du, wie die frühe Sonne des Morgens am Himmel steht? Genau, Du musst Dich nur bücken und den Winkel richtig wählen, dann spiegelt sie sich in den kleinen Glasperlen tausendfach wider. Hast Du Geduld? Vielleicht prüft die Spinne jeden Augenblick ihr Netz und setzt sich als stolzes Modell direkt in die Mitte?

Und Du Esel, hast Deinen Fotoapparat zu Hause im Schrank liegen, weil Du schon alles fotografiert hast im Oberbruttenscheider Wald?!?



Noch ein Beispiel:

An einer der wunderschönen abgelegenen Buchten auf Korfu.
Ich lag faul am Strand und fragte mich, was ich meiner Haut heute wieder antue... Im Hintergrund sehe ich eine kleine Kapelle, oder Kirche, zumindest ein paar Kreuze und Türmchen. Ich spüre irgendwie, dass sich dort ein "schönes Foto verbergen könnte". An die 40 Grad am Strand gewöhnt man sich ja schnell, so war ein bisschen Rumkraxeln mit der Kamera auch kein absurder Gedanke :-)

Ich schaute mir die Kirche (so nenne ich sie mal) von allen Seiten an, drehe mich ein paar mal um mich selbst, denn irgendwie möchte ich das schöne Weiß des Turmes und das tiefe Blau des Meeres auf meinem Bild vereint sehen. Ein paar Fotos entstehen mit den schönen grünen Palmenblättern im Vordergrund, ich wechsele von Quer-, auf Hochformat und bin nicht zufrieden.

Aus der Serie Korfu der Digital-Fotogalerie
Aus der Serie Korfu der Digital-Fotogalerie
Aus der Serie Korfu der Digital-Fotogalerie

Der Kick, den ich mir für mein Foto wünsche, kommt nicht. Eisenstäbe im Betonboden, gelbe verwelkte Blätter der Palmen und Strandbesucher inklusive Schlauchboot standen im krassen Kontrast zu meiner schönen reinen Griechenland-Weiß-Blau-Idee.
Erst als ich die Augen mal richtig aufgemacht habe und mich innerlich von meinem "Ich-sehe-nur-was-ich-sehe-Denken" befreite, entdeckte ich mein Motiv; quasi in dem Motiv, das vor mir lag. Ich nutzte mein Tele, um die Perspektive weiter zu verdichten und sah MEIN MOTIV. Mit ein paar Kletterübungen an dem steilen Hang passte dann alles zusammen.

Später am Abend, als wir alle auf der Terrasse des Ferienhauses die vielen unterschiedlichen Weine und Ouzos probierten, hatte ich meine Kamera in der Hand und zeige meinen Freunden das Foto auf dem Kamera-Display. Die erstaunte Frage kam prompt: "Wo ist das denn entstanden? Aber nicht heute, oder?"
Meine Antwort machte mich ein wenig stolz:
"Doch, vorhin unten am Strand in der Bucht." - "Aber da war doch keine Kirche?"

Ich dachte mir, mit einem Offenen Auge und einer passenden Idee im Kopf, kann man sie eigentlich gut erkennen... und antwortete: "doch, direkt am Ende der Bucht, aber bei dem tollen Meer sieht man sie eigentlich gar nicht."

Jamas!

Aus der Serie Korfu der Digital-Fotogalerie

Aus der Serie Korfu der Digital-Fotogalerie

Wo wir gerade so schön bei den Beispielen sind, ein anderes Beispiel,
aus den Anfangstagen meiner Fotozeit:

Ich schlenderte mit der Kamera im Anschlag durch Venedig und war begeistert von den alten Bauten, den Kanälen, dem Flair. Und dann fiel mir ein alter Mann mit seiner Kamera auf, der ganz abseits des Trubels am Rande eines Kanals (italienisch korrekt wohl besser Canale) hockte, sich weit zur Seite vorbeugte und irgendwas auf dem Wasser zu fotografieren schien. Etwas, das ich nicht sehen konnte und wohl auch nie gesehen hätte, wenn mir der Mann nicht aufgefallen wäre. Ich ging neugierig und zurückhaltend etwas näher ran und entdeckte sein Motiv. Es war eine schlafende Katze auf der Spitze einer Gondel, daneben steckte eine Rose in einer der typischen Gondelvasen und zur Krönung sah man weiter im Hintergrund die Rialtobrücke über den Canale Grande ragen.

“Der hat´s ja drauf”, habe ich mir gedacht und in dem Moment bemerkte er mich. Er sprach mich an. Wir unterhielten uns einen Moment über die morbide Schönheit Venedigs, Motive, Urlaub und Fotografie im Allgemeinen.
Aber ein Satz von ihm blieb mir im Gedächtnis, öffnete mir gewissermaßen die Augen:

“Das Schönste im Leben liegt abseits des Stroms, direkt links und rechts neben Dir.
Du musst nur ein Offenes Auge haben, um es sehen zu können.”

Vielleicht lebt er heute noch und freut sich, dass ich mir erlaube, ihn in der Fotoschule zu zitieren.
Von dem Tag an habe ich mich anfangs gezwungen, anders zu schauen. Nach links und rechts, ich gewöhnte mir an, mich immer wieder umzudrehen (sehr zur Freude meiner Begleitung, die schon vermutete, ich leide an Verfolgungswahn...). Nach einer gewissen Zeit ging´s dann automatisch, ich habe schon eine Art Routine mögliche Motive zu erahnen.

Oft reicht es aus, sich einfach nur umzudrehen und Du findest ein perfektes Fotomotiv.




Noch ein Beispiel?

Während eines Fotoausfluges in die Lüneburger Heide las ich auf einem alten modrigen Schild folgende Verse:

Lass Deine Augen offen sein,
geschlossen Deinen Mund,
und wandle still,
so werden Dir geheime Dinge kund.
                                      (Hermann Löns)

Ob er das für Tante Gertis Poesiealbum oder für Dein “Offenes Auge” geschrieben hat, kann ich nicht gänzlich klären, aber Du wirst es bestimmt wissen. Vielleicht lag die Motivation auch ganz woanders...

Wie dem auch sei, in seinem Vers steckt so viel Wahrheit. Probier es aus und schaffe Deine individuelle Note in der Fotografie, indem Du anders siehst als die Masse und dadurch anders fotografierst;

intensiver, origineller und atmosphärischer.

Aus meiner Toskana- Reihe der Digital Fotogalerie, die ich “am Wegesrand” in Castagnetto Carducci fand.

Das Offene Auge hilft Dir nicht nur bei der Wahrnehmung möglicher Motive, sondern wird Dir auch ein Gefühl dafür geben,
Helligkeiten im Bild zu sehen und Belichtungswerte zu spüren. Das klingt anfangs sicher recht abstrakt, wird Dir jedoch mit zunehmender Routine in Fleisch und Blut übergehen. Es ist in etwa so, wie mit den ersten Fahrversuchen im Auto. Zu Beginn legst Du jeden Gang bewusst ein und nach kurzer Zeit schaltest Du, ohne es zu bemerken (okay, Tante Gerti können wir für dieses
Parade-Beispiel leider nicht nehmen, es geht auch anders...).

Bei dieser erweiterten Version des Offenen Auges, aktuell dürfte es in digitaler Ausdrucksweise Offenes Auge 2.0 heißen, wirst Du nicht nur ein Auge für mögliche Motive entwickeln, sondern diese Motive auch im optimalen Licht bewerten. Du wirst dann solche Überlegungen spüren, wie: "der Eisklumpen da am Strand wäre auch ein prima Motiv, wenn jetzt die Sonne schräg stehen würde und das Innere zum Strahlen brächte." Vielleicht hast Du die Möglichkeit, zum perfekten Zeitpunkt (lichttechnisch gesehen) wieder hierhin zurückzukehren. Fotofan Seestern hat genau den richtigen Zeitpunkt gespürt und ihr Motiv gesehen:

Seestern1804@online.de

Es kann aber auch sein, dass Du Dein Motiv entdeckst, jedoch spürst, dass es sehr schwierig wird zu fotografieren. Es könnte zum Beispiel so starke Kontraste durch Licht und Schatten aufweisen, dass Du bereits beim Anblick merkst, vor einer großen belichtungstechnischen Herausforderung zu stehen. Du spürst förmlich die schwarz zulaufenden Schattenbereiche und ausgefressenen hellen Bereiche. In solchen Situationen kannst Du sehen, was für Dein Bild die beste Wahl sein wird:

DRI oder HDR vielleicht?

Oder doch noch ein Schritt zu Fuß zu einer anderen Position, die das Licht anders fallen lässt. Hier laufen auch wieder dieselben Faktoren zusammen. Du brauchst ein Offenes Auge, um Dein Motiv überhaupt zu sehen und wirst im nächsten Step fühlen, was aus Deiner Idee fotografisch machbar sein könnte.
 

"Der Amateur sorgt sich um die richtige Ausrüstung, der Profi sorgt sich ums Geld und der Meister sorgt sich ums Licht."
                          (Georg IR B.)


Solltest Du jetzt ebenso fragend dreinschauen, wie Tante Gerti normalerweise auf dem Fahrersitz versucht das Mysterium Autofahren zu entschlüsseln:

den größten Teil kannst Du Dir aneignen.

Recht simpel aus einem Mix von eigenen Erfahrungswerten, verwertbaren konstruktiven Kritiken an Deinen Fotos und einer Portion Nachahmen anderer Fotos und Kameraeinstellungen. All das liegt zum Beispiel in der anfangs erwähnten Szenerie rund um Deinen
Foto-Kumpel am selben Urlaubsort, wie Du. Schau Dir seine Fotos an und frag Dich, welche Zauberkraft er wohl einsetzte? Du wirst schnell erkennen, es war gar kein Zauber am Werk. Er hat die Landschaft schlichtweg anders wahrgenommen und Dinge gesehen, wo Du gar nicht erst hinschautest. Achte bei Deinen nächsten Foto-Touren mal gezielt auf solche Dinge, die er gesehen hat. Du wirst sie entdecken, etwas anders als bei ihm, in Deinem Stil. Und Du wirst bei dieser aktiven und wahrnehmungsbereiten Art zu schauen jede Menge anderer Motive sehen. Es ist fast immer dieses anfängliche Umschalten in so einen inneren Modus,

"fotografisch zu sehen".

Hast Du den Hebel einmal erfolgreich umgelegt, setzt ein gewisser Automatismus ein und Du gelangst schnell an einen Punkt, wo es dann heißt: "So´n Mist, warum habe ich jetzt keine Kamera bei...?"

Das allerdings, ist eine andere Rubrik in der Fotoschule...


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