Vieles haette ich verstanden, wenn man es mir nicht erklaert haette

Die Sichtweise der Dinge

....Motive anders sehen und Fotos bewusst gestalten...

Den Auftakt zu dieser Seite der Fotoschule macht eine Email von Fotofan Nadja:

Natürlich nach Absprache und Einverständnis mit Nadja zur Darstellung ihrer Fotografien und unseres Emailverkehrs.
Nochmals vielen Dank!
 

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Von: Nadja 
Gesendet: Donnerstag, 24. Februar 2011 20:04
An: fotoschule @ ralfonso. de
Betreff: Eine kleine Bitte...

Hallo Ralfonso!

Mein Name ist Nadja, ich bin 18 Jahre alt und seit einigen Monaten interessiere ich mich sehr für Fotografie.

Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen (auch wenn sie das wahrscheinlich schon sehr oft gehört haben), dass ich Ihre Fotoschule ganz große klasse finde und ich schon sehr viele hilfreiche Tipps darin entdeckt habe!

Seit Oktober letzten Jahres habe ich mir endlich eine professionellere Kamera leisten können (eine Canon EOS 500D ). Mit dieser Kamera zu fotografieren macht mir riesigen Spaß und ich habe damit ein wunderschönes Hobby gefunden!
Obwohl ich schon einiges an Fotografieliteratur gelesen habe, fehlt es mir natürlich trotzdem noch sehr an Praxiserfahrung und es fällt mir noch etwas schwer meine Bilder zu beurteilen.

Deshalb habe ich ein paar Aufnahmen von mir, die ich persönlich (aus dem Bauchgefühl heraus) für recht gelungen
halte, mitgeschickt und würde Sie gern bitten sich die Bilder, sofern Sie die Zeit finden, einmal anzuschauen um mir ein kleines Feedback zu geben.

Es wäre wahnsinnig nett wenn Sie mir diesen Gefallen tun würden denn ich schätze Ihre Meinung sehr!

Viele liebe Grüße, Nadja
 

Nadjas Fotografien

Hallo Nadja,

danke für Deine Mail und einen noch größeren Dank für Dein Lob, das ich immer wieder gerne bekomme :-) Und Du kannst mir glauben, das werde ich sicher nicht leid, es zu hören. Schließlich ist das einer der Motivationen zur Fotoschule.

Deine Fotografien gefallen mir durch die Bank sehr gut. Bereits bei der ersten Durchsicht habe ich gedacht, "das ist ja mal eine krasse Sichtweise der Motive". Und krass ist in Deinem Fall als positiv krass zu verstehen. Ich finde Deine Sichtweise so gut, dass ich nicht lange zögerte, gleich diese Rubrik namens
"Sichtweise der Dinge" in Die Fotoschule aufzunehmen.

Canon EOS 500D  f11  1/640sec  ISO 400  200mm Tele

EXIF per Mouse-over

Schwarzweiß-Blüte
Einerseits die Reduktion auf fast reines Schwarzweiß, andererseits die perfekt abgestimmte Schärfentiefe bringen die Blüte so richtig zur Geltung. Ein Foto, wo mir auf Anhieb alles dran gefällt, auch der Bildaufbau, der die Blüte ins Bild förmlich reinwachsen lässt. Gut gefällt mir auch der gleichmäßige Hintergrund, der nicht vom Motiv ablenkt.

Ein klitzekleiner Verbesserungsvorschlag: rechts unten im Bild schimmert ein Stängel (oder was auch immer für ein Pinn). Wenn der weg wäre, sehe es perfekt aus (tut es so aber auch, damit hier kein falscher Eindruck entsteht).

Canon EOS 500D  f18  1/640sec.  ISO100  28mm Weitwinkel

Himmel / Pfeiler
“Was könnte das sein?”
So steigt man schon ein ins Bild. Der kontrastreiche Himmel, die Spannung im Bild knistert förmlich. Was es auch ist, ein Pfeiler, eine Dachkonstruktion, ein Kunstwerk, es ragt so dynamisch ins Bild hinein, dass es eigentlich wurscht ist, was es ist.

Der Bildaufbau, die Dynamik und Spannung, selbst die Wolken scheinen in dieselbe Richtung zu flüchten. Gut auch der Größenvergleich, durch die Bäume im Hintergrund. So kann der Bildbetrachter ungefähr einordnen, wie groß die Dinger rechts im Bild wohl sind. Und ein gutes Beispiel dafür, dass auch ein scheinbar unterbelichtetes Bild, gerade dadurch erst zu leben beginnt.
Genau das versuche in der Rubrik
Anti-Regeln zu beschreiben...

Canon EOS 500D  f11   1/640sec.   ISO 400   130mm Tele

Ente / Gans
Also bei diesem Bild habe ich anfangs echt gegrübelt, was das wohl ist? Ein merkwürdig geschwungener Baumstamm, ein verdrehter Ast? Nein, es ist wohl ein Tier, aber was ist da was? Achja, da unten ist der Kopf...
Prima gesehen, prima umgesetzt und perfekt gemacht durch das geschickte Spiel von Licht und Schatten. Der Kopf liegt genau im
Goldenen Schnitt, keine Farbe lenkt von dem kleinen Verwirrspiel ab, ganz im Gegenteil: hier sorgt die Reduzierung auf Grautöne für eine Erhöhung des Gesamteindrucks.

Und ich kann nur sagen: man stelle sich das Bild
HDR-optimiert vor, mit ausgeglichenen Schatten und Lichtern.
Langweilig!
Aber so ist es genau das Gegenteil.

Canon EOS 500D  f14  1/400 sec  ISO200  28mm Weitwinkel

Statuen
Gut ist die etwas tiefer gewählte Fotoposition, noch besser das Spiel mit den Kontrasten, richtig klasse der spannende und strukturierte Himmel und der Verzicht auf Farbe. Auch dieses Bild reizt durch Deine spezielle Sichtweise und den geschickten Einsatz der Belichtung.

Canon EOS 500D  f9  1/80sec   ISO 400    200mm Tele

Schneerose
Und nun ist sie vereist, die einstige so strahlend leuchtende Liebe....
Wieder ein Bild, das den Betrachter durch Deine Sichtweise, Umsetzung und gezielte Bildintention animiert, sich mit Deinem Foto auseinander zu setzen. Wieder braucht man einige Blicke, um es ganz zu erfassen. Erst auf den dritten Blick erkennt man die Rose, den Schnee, die hängende Position der Pflanze. Mag sie in einer Mülltonne stecken? War sie wohl mal ein Geschenk zum letzten Valentinstag? Auch hier hast Du wieder die genau richtige Entscheidung zum schwarzweißen Bild getroffen, was den Bildausdruck deutlich unterstützt. Auch Dein Spiel mit der offenen Blende, punktgenauen Schärfe auf dem Wesentlichen und einer schön ins Bild laufenden Unschärfe (abnehmende Schärfentiefe) passen perfekt.
Das gefällt mir ausgesprochen gut.

rk4

Die Sichtweise der Dinge

An den Bildern von Fotofan Nadja siehst Du deutlich, wie der geschickte Einsatz einfacher fotografischer Regeln zu ganz besonderen Fotografien führt. Du kannst eine Ente formatfüllend und richtig belichtet fotografieren und hast ein Bild einer Ente. Das war es dann aber auch.

Oder Du kannst eine Ente so fotografieren, wie es Nadja gemacht hat. Das Resultat ist ein spannendes Foto, das wirkt und an dem der Betrachter kleben bleibt (oder wohl besser umgekehrt...). Es ist die spezielle Sichtweise Nadjas, die banalen Motiven einen anderen Ausdruck verleiht. Unterstützend arbeitet sie mit den Regeln der Bildgestaltung, konzentriert sich auf das Wesentliche (reduzierter Bildausschnitt), setzt die Belichtung bewusst unterstützend ein und lässt weg, was nicht ins Bild
gehört (z.B. die Farbe, oder auch den ganzen Körper der Ente). Die richtige Wahl der Schärfentiefe löst das Motiv vom Umfeld und heraus kommen Fotografien, die sich vom Einheitsbrei mehr als abheben.


Fotofan Nadja bringt hier quasi gleich fünf Antworten auf die Fragen der Rubrik
"Motive finden".

“Was soll ich noch fotografieren in meinem Umfeld, mir fällt nichts mehr ein?”

Das ist die Kernaussage der Rubrik "Motive finden".
Nadja würde antworten: ein Blümchen, eine erfrorene Rose, ´ne Ente und das Vordach vielleicht? Und Du würdest sie angucken und sie fragen, ob sie sich vielleicht zu oft mit Tante Gerti getroffen haben mag und da was abfärbte...??
Wenn Du dann die Motive in der Sichtweise von Nadja sehen würdest, bräuchtest Du vermutlich gar nicht mehr aus dem Garten zu gehen, um tonnenweise Motive vor die Linse zu bekommen.

An der Sichtweise kann man arbeiten, auch Du.

Das mag Nadja vielleicht ins kreative Händchen gelegt sein und für sie ist auf den ersten Blick erkennbar, was in einem Motiv für ein mögliches Foto stecken könnte. Wenn Du Dir etwas Zeit nimmst und überlegst, wie Du ein Motiv auch anders, als nur richtig belichtet und scharf abbilden kannst, wird Dir sicher auch schnell ein besonderes Foto gelingen.
Oft hört man die Redewendung, dass Der oder Die eine andere Sicht auf die Dinge hat, als man selbst. Das kann gut oder schlecht sein. Es ist aber auf jeden Fall eine andere Sicht und ein Versuch, selbst auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Dann besteht immerhin die Möglichkeit, ein Motiv anders zu fotografieren.

Gib fünf Fotografen die Aufgabe, eine bestimmte Ente am See im Oberbruttenscheider Wald zu fotografieren und Du bekommst fünf unterschiedliche Fotos. Jeder wird die Ente aus seiner Sicht fotografieren. Ich bin sicher, diese fünf Fotografen stecken allesamt auch in Dir. Wichtig ist, dass Du die Bereitschaft entwickelst, die anderen vier Sichtweisen neben Deiner typischen, zuzulassen.

Letztlich findest Du so Deinen Weg zu besonderen Fotografien, die Dich auszeichnen!

Die Seebrücke von Prerow

Und bei der Gelegenheit, da ja die ganze Fotogemeinde heutzutage über Pixelrauschen, Korn und feine Oberflächen diskutiert….
Auch das Spiel mit der Körnigkeit, dem Aussehen und der Oberfläche ist eine Sichtweise der Dinge und letztlich Deine Umsetzung eines Motivs.

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